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Absitzen, essen, gehen – Zürichs neue Restaurantkultur

Zu sehen auf dem Bild ist das Restaurant Lulu beim Opernhaus Zürich. Das wegen seiner Farbe und form auch "Fleischkäse" genannte Restaurant wird seit etwa 16 Monaten vom Gastronomen Michel Péclard geführt.Das Restaurant Lulu am Sechseläutenplatz in Zürich: Wenn einer der Rathuus-Redaktoren essen geht, dann hat er was zu erzählen. Bild: Lorenz Steinmann

Wenn die Stadt Zürich Michel Péclard ein Lokal verpachtet, kann eigentlich nichts schiefgehen. Das ist schon seit der „Pumpstation“ vor über 35 Jahren so. Doch wie der Gastronom mit Gästen im Restaurant Lulu direkt beim Opernhaus umgeht, ist gewöhnungsbedürftig. Ein Kommentar.

Ein Samstagabend um 18 Uhr vor einigen Wochen. Der Schreibende hatte abgemacht mit seinem Schwager. Feines Essen, guter Wein, tiefgründige Gespräche. Bei der Reservation fürs Restaurant Lulu beim Opernhaus in Zürich hiess es im Online-Reservationstool, ob man später in die Oper oder ins Theater wolle. Antwort: Nein. Und so klickte ich mich durchs Menü und sagte auch stirnrunzelnd zu, dass ich 100 Franken zahle, wenn ich nicht erscheine.

So weit, so gut. Das „Lulu“, über dem Bernhard-Theater gelegen, präsentierte sich ohne das früher eher steife Ambiente, dafür mit viel Kunst an den Wänden und einem selbstspielenden Klavierflügel. Das der Stadt Zürich gehörende Lokal wird seit gut 15 Monaten vom Gastrounternehmen von Michel Péclard geführt. Vorher lief das Edelrestaurant, das auch schon „Bernadette“ oder „Belcanto“ hiess, nie wirklich gut. Péclard gilt als Winnertyp, dem beruflich meistens alles gelingt. Begonnen hatte er seine Karriere 1998, als er ebenfalls von der Stadt Zürich das WC-Häuschen am See beim Bellevue mietete und daraus die bis heute florierende Goldgrube „Pumpstation“ schuf.


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Und jetzt also wir im „Lulu“. Die Bedienung zuvorkommend, ein schöner Tisch am Fenster mit Blick über den See. Der Hauptgang (Filet mignon à 62 Franken und Sole meunière à 58 Franken) war genossen, die Mousse au Chocolat à 16 Franken bestellt. Doch um 19.40 Uhr brach plötzlich Hektik aus beim Servierpersonal. Kaum war das Dessert da, hiess es, man müsse zahlen. Der Tisch sei für eine Gruppe auf 20 Uhr reserviert.

Dem Personal war es sichtlich peinlich. Weil die Flasche Tessiner Merlot (95 Franken) noch zu einem Drittel voll war, mussten wir insistieren. Und so wurden wir an die Bar beim Eingang bugsiert und schlürften unser letztes Glas halb stehend. Die Rechnung über 290 Franken hatten wir schon beglichen.

Lieber lachen als schimpfen

Wir lassen die ganze Sache lachend über uns ergehen. Wenn man wegen so etwas sauer wird, dann hat man ein zu grosses Ego.

Und doch: Heute kam mir die Geschichte wieder in den Sinn. Auch die Antwort von Michel Péclard, dem Besitzer der gut 15 Péclard-Restaurants, zu denen auch das „Lulu“ gehört. Sie war ohne Zweifel offen und ehrlich.

Zu sehen ist der Gastronom Michel Péclard.Der Erfolgsgastronom Michel Péclard wehrt sich und sagt, alles sei transparent abgelaufen. Bild: zvg

„Wir investieren in die Weihnachtsbeleuchtung, Zelt, Kugel, alles zusammen 300’000 Franken pro Jahr. Das Ganze ist unglaublich teuer. Sie wissen ja auch, wie es momentan um die Gastronomie steht.“ Und weiter: „Damit wir diese Kosten irgendwie relativieren können, machen wir drei Seatings. Das können wir, da die Operngäste meist schon um 17.00 Uhr kommen und die anderen ab 22.00 Uhr. Das ist für uns natürlich ein Segen.“

Laut Michel Péclard soll ich eine Bestätigung erhalten haben. Péclard: „Auf dieser Bestätigung steht genau, dass Sie den Tisch entweder von 17.00 bis 19.00 und 19.00 bis ca. 21.00 Uhr etc. haben. Also einfach zwei Stunden. Das bestätigen Sie ja auch bei der Reservation.“

Nun gut, wohl mein Fehler. Ich habe aber heute das Reservierungsprozedere nochmals durchgespielt. Die Meldung mit den zwei Stunden erscheint kurz – aber erst ganz am Schluss, wenn man die Reservierung längst abgeschlossen hat. Bei der Bestätigung per E-Mail steht dann wieder nichts mehr von einem Zeitslot. Man kauft also quasi die Katze im Sack.

Anders macht es beispielsweise das Restaurant „Lou’s Comfort Food“ im Kreis 3. Dort steht in der Bestätigungs-E-Mail klar: „Bitte beachte, dass Euer Tisch für 2 Stunden reserviert ist.“ Man solle das Restaurant kontaktieren, falls man länger bleiben möchte.

Zu sehen ist die Reservationsbestätigung des Lulu, ohne Zeitslot.Auf der Reservationsbestätigung per E-Mail steht nichts von einem Zeitfenster. Bild: Lorenz Steinmann

Für Michel Péclard hingegen hat alles seine Ordnung. Er verweist zudem auf die „Kronenhalle“ und Gastronom Nenad Mlinarevic („Bauernschänke“, „Brasserie Süd“, „Neumarkt“), „die dasselbe machen mit den 2-Stunden-Spots“.

Péclard rät zum Schluss: „Nächstes Mal nehmen Sie doch einen Tisch ab ca. 20.30 Uhr – dann sind Sie sicher der letzte Tisch und können sitzen bleiben. Ich persönlich finde aber auch die Bar enorm schön. Nicht?“

Und die Moral von der Geschicht? Beim Onlinebuchen muss man wirklich alle Infos ganz genau durchlesen – um Enttäuschungen zu vermeiden. Alternativ kann man einfach später essen gehen. Oder in die gute, normale Beiz ums Eck ausweichen (solange es diese noch gibt), in der man ohne Reservation einen Platz bekommt.