Durch die Entlassung des Energie-360°-Chefs versucht FDP-Stadtrat Michael Baumer, die Wogen zu glätten. Doch die Idee, das Milliardenunternehmen dem Kanton zu verkaufen, könnte ihm mehr schaden als gewollt. Im links-grünen Zürich stossen Auslagerungsideen in der Regel auf wenig Gegenliebe.
Warum in aller Welt möchte ein Zürcher Stadtrat eine faktisch zur Stadtverwaltung gehörende Abteilung an den Kanton verkaufen? Ein Stadtrat, der als FDP-Mitglied der bürgerlichen Minderheit angehört und um seine Wiederwahl zittern muss? Michael Baumer will mit der Entlassung seines Energie-360°-CEOs die Wogen glätten. Ob das reicht? Doch der Reihe nach.
Es war im März 2025, als Vertreter von Energie 360° in Volketswil ihr Vorhaben vorstellten, Energie aus einem Rechenzentrum zu nutzen und so einen grossen Teil der Volketswiler Gebäude mit sauberer Energie zu versorgen. Also weg von Erdöl hin zu CO₂-freier Energie. Darin liegt die Zukunft, keine Frage. Der Gemeindesaal war voll, die Fragenliste lang, aber schlussendlich wurde das „Generationenprojekt“ wohlwollend goutiert von den Anwesenden.
Chef der Delegation von Energie 360° vor Ort war Romeo Deplazes. Damals war er Vize von CEO Jörg Wild. Jetzt ist er quasi über Nacht zum Chef eines Milliardenunternehmens geworden, weil Verwaltungsratspräsident und FDP-Stadtrat Michael Baumer seinen Vorgänger Jörg Wild Knall auf Fall entlassen hat. Der Druck wurde zu gross, da die Finanzwebsite Inside Paradeplatz öffentlich gemacht hatte, dass Jörg Wild Oberchef werden wollte. Und zwar Chef der Elektrizitätswerke des Kantons Zürich – kurz EKZ – inklusive Energie 360°.
Energie 360°, so heisst heute die zu 100 Prozent öffentlich-rechtliche AG, die bis vor elf Jahren noch Erdgas Zürich hiess und bis 1998 als Gasversorgung Zürich agierte. Es war jene Zeit, als neoliberale Politikerinnen und Politiker technische Abteilungen privatisieren wollten. So etwa das hochrentable Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ). Eine entsprechende Vorlage wurde vom Volk vor 25 Jahren abgelehnt. Ein ähnliches Vorhaben wurde 2016 schon im Gemeinderat verworfen.
Viel Geld oder doch nicht?
Nun versucht Michael Baumer, FDP-Stadtrat und Vorsteher des Departements der Industriellen Betriebe, abermals, eine bestens in die Stadtverwaltung integrierte und famos funktionierende Verwaltungseinheit abzustossen. Die Rede ist von 1,1 Milliarden Franken, die der Kanton der Stadt Zürich bezahlen müsste. Dabei hat sich Energie 360° vorbildmässig an die heutigen Anforderungen angepasst und bietet „nachhaltige Energie- und Mobilitätslösungen in der ganzen Schweiz“. Gemeinsam werde das Energiesystem transformie…

"Führend in ökologischen Energielösungen": Romeo Deplazes von Energie 360° (links) an einer erfolgreichen Infoveranstaltung zur Einführung der Fernwärme in Volketswil. Bild: Lorenz Steinmann
Unsere Newsletter und unsere Podcast-Folgen auf Steady sind der richtige Ort dafür – kommentiere dort und sag uns, was du denkst:
Zu unseren Steady-Beiträgen