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Ein Lagebericht aus dem Rathuus-Maschinenraum

Das Rathaus in Zürich an der Limmat mit Blick Richtung Gemüsebrücke.Unser Onlinemagazin heisst Rathuus, weil im Zürcher Rathaus am Limmatquai (und im Moment im Rathaus-Provisorium in der Bullingerkirche) Entscheide getroffen werden, die unseren Alltag im Grossen wie im Kleinen beeinflussen. Bild: Pascal Turin

Das Rathuus-Politmagazin gibt es seit gut elf Monaten. Am Sonntag wird die 20. Podcast-Folge aufgeschaltet. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Dazu haben wir die Meinung von Medienexpertinnen und Medienexperten eingeholt. Soviel vorweg: Freude herrscht!

Heute darf ich im Namen des kleinen Rathuus-Kernteams für einmal berichten, wie es uns so geht. Und zwar punkto Rathuus. Das ist unser Baby, das sich nach elf Monaten Lebenszeit immer mehr zu einem veritablen Wonneproppen entwickelt. Wir dürfen auf viele spannende Texte, gute Feedbacks aus der Leserschaft und ein respektables Medienecho zurückblicken.

Inzwischen sind wir bei 80 Mitgliedern (Rathuus-Abo inklusive Newsletter) sowie zusätzlich 55 Abonnentinnen und Abonnenten unseres kostenlosen Newsletters. Die Öffnungsrate bei den Newslettern ist mit etwa 70 Prozent sehr hoch. Das selbst gesetzte Ziel von 100 Mitgliedern bis Ende 2025 verfolgen wir beharrlich weiter.

Luft nach oben haben wir noch bei Besuchen vor Ort im Kantonsrat und beispielsweise im Gemeinderat der Stadt Zürich. Für das Interesse und die Bereitschaft, für Inhalte zu bezahlen, danken wir allen Unterstützerinnen und Unterstützern ganz herzlich.

Auch die bisher 20 produzierten Podcast-Folgen – aufgenommen im improvisierten Studio in unserem kleinen Büro an der Stauffacherstrasse im Kreis 4 – machen grossen Spass. Wir sprechen häufig über unsere Texte, vertiefen aber durchaus auch andere Themen und werden zwischendurch mal persönlich.

Gefühlsmässig haben wir uns nach gewissen Anfängerfehlern gesteigert.

Die Folge 20 unseres Rathuus-Podcasts erscheint am Sonntag. Darin erwähnen wir einige Feedbacks von Medienexpertinnen und Medienexperten zu unserem Projekt. Diese sind überaus positiv ausgefallen. Dazu haben wir aber auch gefragt, wie die persönliche Mediennutzung im Lokalen aussieht, ob Bezahlmodelle der Weisheit letzter Schluss sind und ob Unterstützungsmodelle der öffentlichen Hand sinnvoll wären.


Lass dir den Artikel durch eine KI-gestützte Stimme vorlesen.

Kommen wir zu den Feedbacks

Felix E. Müller, Mitbegründer und erster Chefredaktor der „NZZ am Sonntag“, hat auch früh Rathuus abonniert. „Ich finde Ihre Initiative mit Rathuus sehr positiv.“ Müller informiert sich via Mailingliste der Stadtkanzlei. Daneben lese er „natürlich im Tagi und der NZZ das, was von der einstigen Lokalberichterstattung noch zurückgeblieben ist“. Schliesslich lese er Rathuus und vereinzelt das Onlineportal Tsüri, wobei letztere Plattform ihn wegen ihrer Nähe „zu gewissen politischen Kreisen und staatlichen Geldgebern“ problematisch erscheine, so Felix E. Müller. Mit den kantonalen Themen sei es schwieriger. „Hier kommt zuweilen noch die ‚Limmattaler Zeitung‘ (als Splitausgabe der ‚Schweiz am Wochenende‘) zum Zug“, berichtet Müller.

Daniel Vogler, Forschungsleiter und stellvertretender Direktor des Forschungszentrums Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) der Universität Zürich, kannte Rathuus bisher nicht. „Es scheint aber ein interessantes Projekt mit gehaltvollen Beiträgen zu sein“, so der Co-Autor des vielzitierten Jahrbuchs Qualität der Medien. Er informiert sich via „Tages-Anzeiger“, „den wir in der Familie als gedruckte Zeitung abonniert haben oder die NZZ, die ich digital abonniert habe“. Zürich sei zum Glück ein wichtiges Zentrum und die Medienhauptstadt der Schweiz. „Auch andere Medien wie beispielsweise ’20 Minuten‘ oder der ‚Blick‘ berichten deshalb ab und zu über Themen mit Bezug zu Stadt und Kanton.“ Zudem gebe es auch neuere Onlineangebote wie etwa den Newsletter des Onlineportals Tsüri.

Bezahlmodelle vs. Gratismodelle

Damit zur zweiten Frage, ob im Onlinebereich Bezahlmodelle oder Gratismodelle mehr Zukunft haben. Pia Guggenbühl, Direktorin des Verlegerverbands Schweizer Medien, sieht die Qualität als Erfolgsfaktor: „Die Zukunft gehört wohl journalistischen Medien, denen es – unabhängig vom Geschäftsmodell – gelingt, nahe bei ihrer Leserschaft zu sein, relevante Inhalte sowie einen echten Mehrwert zu bieten.“ Klar sei, dass es entsprechende Rahmenbedingungen brauche, damit sich solche Investitionen in den Journalismus auch künftig lohnen würden. Sprich: Neben der bisherigen Subventionierung der Postzustellung ist Guggenbühl dafür, dass man „über eine mittel- bis langfristige Medienförderung nachdenken“ soll, welche die Medien auch unabhängig des Kanals und des Geschäftsmodells sinnvoll unterstützen könne.

Während Felix E. Müller kurz und bündig auf Bezahlmodelle setzt, geht Wissenschafter Daniel Vogler ins zumindest für Fachleute interessante Detail. „Einerseits ist die Zahlungsbereitschaft für Onlinenews sehr tief. Das ist eine Herausforderung für Bezahlmodelle im Onlinebereich. Andererseits sind aufgrund der Konkurrenz durch Social Media und Suchmaschinen auch Angebote, die sich über Werbung finanzieren, unter Druck.“ Mit der zunehmenden Verwendung von KI-Chatbots für Informationszwecke seien zudem Reichweitenmodelle, also Modelle, die sich für Werbeerlöse an ein möglichst grosses Publikum richten, nochmals stärker unter Druck geraten.

Dabei erwähnt Vogler das Stichwort Zero-Click-Internet: „Menschen geben sich mit den Antworten der KI-Chatbots zufrieden, klicken nicht mehr auf die Originalquelle, was zum Einbruch des werberelevanten Traffics führt.“ Er schliesst daraus, dass daher aktuell Bezahlangebote (wie Rathuus, Anm. d. Red.), denen es gelinge, ein treues Publikum zu finden beziehungsweise eine Community aufzubauen, eher einen Vorteil hätten.

Ursula Klein kritisiert Politik

Ursula Klein, Gründerin, Besitzerin und Chefredaktorin des Branchenmagazins Kleinreport, sagt pointiert, dass der Markt total kaputt sei. Aus ihrer Sicht „melken“ der „Tages-Anzeiger“ und die NZZ „die treuen Abonnenten mit immer weniger Inhalten“. Online hätten Bezahlmodelle aber keine Chance, weil niemand mehr bereit sei, zu bezahlen. Der Kleinreport habe 9000 Abonnentinnen und Abonnenten beim Newsletter, eine stolze Zahl. „Aber betreiben lässt sich der Kleinreport finanziell nur knapp“, so die Unternehmerin. Sie findet Unterstützungsmodelle vom Staat durchaus eine Lösung. Sie kritisiert aber Politikerinnen und Politiker, die betonen, wie wichtig Lokaljournalismus sei, insgeheim aber aufatmen, wenn wieder ein Blatt zu- oder in einem anderen aufgeht. Besonders schlimm sei, wenn Gemeinden dann selber journalistisch aktiv würden und unkritische Gemeindeblätter verlegen.

Aufhorchen lässt in Zusammenhang mit staatlicher Unterstützung auch der FDP-nahe Felix E. Müller. „Mittlerweile bin ich, ganz entgegen meinen politischen Instinkten, zur Überzeugung gekommen, dass es staatliche Unterstützungsmechanismen braucht.“ Denn das Silicon Valley ruiniere den Journalismus in der Schweiz. Und mit KI werde alles noch schlimmer. „Gegen die hegemoniale mediale Dominanz der USA kann nur der Schweizer Staat ein wenig Gegensteuer geben. Ein einzelner Anbieter ist diesem Druck wehrlos ausgeliefert“, so Müller.

Ins gleiche Horn bläst Daniel Vogler vom Fög: „Nur weil der Staat ein Medium unterstützt, heisst das noch lange nicht, dass es seine Unabhängigkeit deswegen verliert.“ Allerdings brauche es hier Fingerspitzengefühl und eine transparente, professionelle Umsetzung. „Es gibt gut funktionierende Modelle, vor allem in skandinavischen Ländern. Diese Länder schneiden punkto Pressefreiheit immer sehr gut ab“, ist Vogler überzeugt. Direkte Medienförderung könne also eine Lösung darstellen, wenn der Markt nicht mehr in der Lage sei, den Journalismus zu finanzieren. 

Wir schliessen mit Rathuus eine Lücke

Ob nun Rathuus hinten ansteht bei den Bittstellern, die Geld vom Staat wollen? Momentan lieber nicht. Wir wollen mit Inhalten überzeugen und schauen dann weiter. Dazu aber noch die letzte Frage ans Expertenteam. „Wo kann Rathuus noch besser werden?“

Aus dem Nähkästchen berichten kann hier Felix E. Müller: „Die grösste Informationslücke hat sich als Folge der anhaltenden Sparmassnahmen der Schweizer Verlage im Lokalen eröffnet. Ich war um das Jahr 2000 während gut drei Jahren Ressortleiter Stadt und Kanton Zürich der NZZ und kann deswegen ermessen, wie dramatisch der Abbau in diesem Bereich mittlerweile ist.“ Damals habe die NZZ täglich fünf bis sechs Seiten mit städtischen und kantonalen News produziert. „Dafür standen mir etwa 24 Festangestellte zur Verfügung“, so der passionierte Bergsteiger. Heute habe sich das im allerbesten Fall halbiert. Beim Tagi dürfte es noch schlimmer sein; der „Blick“ habe sich aus diesem Themengebiet weitgehend zurückgezogen.

„Mit andern Worten: Eine Initiative wie Rathuus ist enorm wichtig, weil dadurch eine immer grösser werdende Lücke ein wenig gefüllt wird“, urteilt Müller, der seit zwei Jahren als Präsident des Stiftungsrats des Instituts für Journalismus und Kommunikation MAZ (ursprünglich Medien-Ausbildungs-Zentrum) amtet. Er findet aber, dass Rathuus zunächst überhaupt einem breiteren Publikum vertraut werden müsse. „Das ist die grösste Herausforderung“, betont der ehemalige Chefredaktor der „NZZ am Sonntag“.

Wissenschafter Daniel Vogler ist überzeugt, dass die Rathuus-Idee gut in unsere Zeit passe. Denn: „Lokaljournalismus ist gefährdet. Es braucht neue Ideen, wie man ihn für die Zukunft aufstellen kann.“ Es sei allerdings auch sehr schwierig, ein Angebot wie Rathuus dauerhaft und nachhaltig zu betreiben. „Solche Angebote leben in der Regel vom Engagement der Betreiber. Ich vermute, das ist bei Ihnen nicht anders“, so Vogler. Mit der thematischen Ausrichtung auf Zürcher Kantons- und Stadtpolitik habe das Angebot ein klares Profil. „Die Kombination mit dem Podcast finde ich eine interessante Ausrichtung. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, genügend Menschen zu finden, die für dieses Thema auch Geld bezahlen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit dem Projekt.“

Diese Feedbacks sind uns Ansporn genug, um mit noch mehr Engagement weiterzumachen. Denn das Einfache hat uns noch nie gereizt.

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